Kritiken zu Aymineh

Kölnische Rundschau, 17. August 2001 : Lehrstunde für Dramaturgen
Kölner Theaterfreunde 10. April 2003: Ungeheure Dichte und Poetizität

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Kölnische Rundschau, 17. August 2001
Anatolisches Märchen für Erwachsene: "Aymineh"
Wenn Fürsten zu sehr pieksen
Von Thomas Linden
Unglückliche Übersetzungen können zu Missverständnissen führen, die einem Text seinen Glanz nehmen. So handelt es sich bei der von Elsa Sophia von Kamphoevener niedergeschriebenen anatolischen Hirtenerzählung „Das Mädchen Aymineh und die harten Schuppen“ keineswegs um die Geschichte eines Kindes, da unter einer Erkrankung der Kopfhaut leidet.
Würde man die Schuppen mit Stacheln übersetzen, die sich, wie es im Märchen heißt, bei Angstzuständen aufrichten, dann träfe dieses Bild den Inhalt der Geschichte schon eher. Das Cassiopeia (Figuren-)Theater präsentiert den Text vorsichtshalber unter „Aymineh“.
Hinter dem Namen verbirgt sich ein Mädchen, das nichts von seiner weiblichen Identität weiß und in Jungenkleidern mit seinem blinden Hund durch die Berge Anatoliens streift. Als die Hirten sie zu einem gemeinsamen Bad einladen, kommt es zum Skandal, weil sich die Männergesellschaft von ihrem weiblichen Körper provoziert fühlt. Ein alter Hirte beschützt das Mädchen, in dessen Macht es steht, den Sohn des Fürsten zu heilen: Denn seine stachelige Haut erschreckt alle Menschen. Das Märchen erzählt auf kunstvolle Weise von der Angst vor dem Weiblichen, die variantenreich in Situationen zum Ausdruck kommt, in denen bedrohliche Nähe entsteht.
In der Inszenierung von Udo Mierke findet Claudia Hann fließend in die Atmosphäre der Hirtenwelt. Sie hält die Masken vor dem Körper und agiert sowohl als distanzierte Erzählerin als auch in der Rolle der mitfühlenden Akteurin, die den Zauber des Märchens emotional trägt. Die Inszenierung entwickelt sich aus einem subtilen Spiel mit Distanz und Nähe, das ausgezeichnet zum Thema, der Suche nach geschlechtlicher Identität, paßt.
Auch wenn Claudia Hann nicht immer den Ton und die Gesten der älteren Hirtengestalten findet, so gelingt ihr es doch, die Geschichte des Märchens Eindrucksvoll über die wechselnden Positionen zu erzählen, die die Masken im Raum einnehmen. Sie zeigt, dass Erzählen seinen Ausdruck auch darin findet, wie ein Geflecht von Figuren im Raum seine wechselnden Positionen einnimmt. Das gelingt ihr so faszinierend, dass die Inszenierung von „Aymineh“ zu eine vorbildlichen Lehrstunde für Dramaturgen dienen könnte.
Bildunterschrift:
Akteurin und distanzierte Erzählerin zugleich ist Claudia Hann, die in den Inszenierungen des Cassiopeia Theater immer wieder meisterhaft mit Masken und Figuren spielt.
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Kölner Theaterfreunde
Cassiopeia Theater Köln
Aymineh - Ein Solospiel mit 12 Stativfiguren
Prof. Dr. Volker Neuhaus
Die Kölner Tehaterfreunde haben es sich zum Ziel gesetzt, das reiche Kölner Theatergeschehen, ob städtisch oder privat, kritisch und fördernd zu begleiten.
Deshalb haben wir auch im Jahre 2002 mit "Aymineh" erstmals eine Stück des Cassiopeia Theaters besucht. Trotz des ungewohnten Charakters - ein Ein-Personen-Stück, die Aktanten als Stelen - hat uns das Werk von Anfang an in einen geradezu magischen Bann gezogen. Die Inszenierung ist von ungeheurer Dichte und Poetizität, so daß sie nachgerade spannend wirkt.
In dieser doppelten Verfremdung von Stoff - ein >Karawanserei<-Märchen - und Darbietung wird einem das Werk paradoxerweise nahegebracht, so als ob die beiden Fremdheiten sich wechselseitig aufhöben und zur Nähe würden.
Stück, Isnzeneirugn und schauspielerische Leistung stellen so einen wichtigen Beitrag zum interkulturellen Dialog dar.
Das bei unseren Tehaterbesichen stets übliche Gespräch mit dem Team vertiefte diesen Eindruck nich und machte deutliche, wie reflektiert und auf welchem hohem Niveau an dieser Bühne gearbeitet wird.
Die Inszenierung verdient in jeder Hinsicht Förderung und Verbreitung.
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(C) Copyright 2002 by Udo Mierke, Update 5/2003