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Rundschau, 17. August 2001 |
Anatolisches Märchen für Erwachsene: "Aymineh" Wenn
Fürsten zu sehr pieksen Von Thomas Linden
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Unglückliche Übersetzungen können zu Missverständnissen
führen, die einem Text seinen Glanz nehmen. So handelt es sich
bei der von Elsa Sophia von Kamphoevener niedergeschriebenen
anatolischen Hirtenerzählung Das Mädchen Aymineh und
die harten Schuppen keineswegs um die Geschichte eines Kindes,
da unter einer Erkrankung der Kopfhaut leidet. Würde man
die Schuppen mit Stacheln übersetzen, die sich, wie es im Märchen
heißt, bei Angstzuständen aufrichten, dann träfe
dieses Bild den Inhalt der Geschichte schon eher. Das Cassiopeia
(Figuren-)Theater präsentiert den Text vorsichtshalber unter Aymineh.
Hinter dem Namen verbirgt sich ein Mädchen, das nichts von
seiner weiblichen Identität weiß und in Jungenkleidern
mit seinem blinden Hund durch die Berge Anatoliens streift. Als die
Hirten sie zu einem gemeinsamen Bad einladen, kommt es zum Skandal,
weil sich die Männergesellschaft von ihrem weiblichen Körper
provoziert fühlt. Ein alter Hirte beschützt das Mädchen,
in dessen Macht es steht, den Sohn des Fürsten zu heilen: Denn
seine stachelige Haut erschreckt alle Menschen. Das Märchen erzählt
auf kunstvolle Weise von der Angst vor dem Weiblichen, die
variantenreich in Situationen zum Ausdruck kommt, in denen
bedrohliche Nähe entsteht. In der Inszenierung von Udo
Mierke findet Claudia Hann fließend in die Atmosphäre der
Hirtenwelt. Sie hält die Masken vor dem Körper und agiert
sowohl als distanzierte Erzählerin als auch in der Rolle der
mitfühlenden Akteurin, die den Zauber des Märchens
emotional trägt. Die Inszenierung entwickelt sich aus einem
subtilen Spiel mit Distanz und Nähe, das ausgezeichnet zum
Thema, der Suche nach geschlechtlicher Identität, paßt.
Auch wenn Claudia Hann nicht immer den Ton und die Gesten der älteren
Hirtengestalten findet, so gelingt ihr es doch, die Geschichte des Märchens
Eindrucksvoll über die wechselnden Positionen zu erzählen,
die die Masken im Raum einnehmen. Sie zeigt, dass Erzählen
seinen Ausdruck auch darin findet, wie ein Geflecht von Figuren im
Raum seine wechselnden Positionen einnimmt. Das gelingt ihr so
faszinierend, dass die Inszenierung von Aymineh zu eine
vorbildlichen Lehrstunde für Dramaturgen dienen könnte.
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Bildunterschrift: Akteurin und distanzierte Erzählerin
zugleich ist Claudia Hann, die in den Inszenierungen des Cassiopeia
Theater immer wieder meisterhaft mit Masken und Figuren spielt. |
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Kölner Theaterfreunde |
Cassiopeia Theater Köln Aymineh
- Ein Solospiel mit 12 Stativfiguren Prof. Dr. Volker
Neuhaus
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Die Kölner Tehaterfreunde haben es sich zum Ziel gesetzt,
das reiche Kölner Theatergeschehen, ob städtisch oder
privat, kritisch und fördernd zu begleiten. Deshalb haben
wir auch im Jahre 2002 mit "Aymineh" erstmals eine Stück
des Cassiopeia Theaters besucht. Trotz des ungewohnten Charakters -
ein Ein-Personen-Stück, die Aktanten als Stelen - hat uns das
Werk von Anfang an in einen geradezu magischen Bann gezogen. Die
Inszenierung ist von ungeheurer Dichte und Poetizität, so daß
sie nachgerade spannend wirkt. In dieser doppelten Verfremdung
von Stoff - ein >Karawanserei<-Märchen - und Darbietung
wird einem das Werk paradoxerweise nahegebracht, so als ob die
beiden Fremdheiten sich wechselseitig aufhöben und zur Nähe
würden. Stück, Isnzeneirugn und schauspielerische
Leistung stellen so einen wichtigen Beitrag zum interkulturellen
Dialog dar. Das bei unseren Tehaterbesichen stets übliche
Gespräch mit dem Team vertiefte diesen Eindruck nich und machte
deutliche, wie reflektiert und auf welchem hohem Niveau an dieser Bühne
gearbeitet wird. Die Inszenierung verdient in jeder Hinsicht Förderung
und Verbreitung. |
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